Beschreibung
Im Verlauf einer Krebserkrankung und deren Behandlung tritt häufig ein Gewichtsverlust auf. Er kann durch Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall oder auch Flüssigkeitsmangel, aber auch aufgrund der Krebserkrankung selbst entstehen. Eine besonders starke Gewichtsabnahme bezeichnen Fachleute als „Tumorkachexie“.
Die Tumorkachexie entsteht sowohl aufgrund der Erkrankung selbst (erhöhter Energieverbrauch, veränderte Stoffwechselprozesse, erschwerte Nahrungsaufnahme) als auch durch deren Behandlung. Sie lässt sich dann mit normaler Nahrungsaufnahme nicht mehr kompensieren und bedarf einer weiterführenden Behandlung.
Ein guter Ernährungszustand ist besonders für Krebspatientinnen und -patienten wichtig, um die Behandlung der Erkrankung leichter zu bewältigen. Daher ist es wichtig, dem Gewichts- und Appetitverlust frühzeitig entgegenzuwirken. Weitere Informationen dazu finden Sie für Fachleute in der Leitlinie zur Klinischen Ernährung (2015).
Behandlung
Um den Appetit anzuregen und einer Gewichtsabnahme entgegenzuwirken, gibt es allgemeine Maßnahmen, die unter "Praktische Tipps" aufgeführt werden. Zur Behandlung einer Tumorkachexie können bei einer fortgeschrittenen Erkrankung nach der Leitlinie zur Klinischen Ernährung (2015) Hormonpräparate (Gestagene) und kurzfristig auch Kortison-haltige Medikamente zur Appetitsteigerung eingesetzt werden.
Zudem kann bei Tumorkachexie und bei Geschmacksstörungen die Gabe von medizinischem Cannabis erwogen werden. Verschiedene andere Präparate wie z.B. Trinknahrung kann ebenfalls eingesetzt werden. Möglicherweise kann eine überbrückende oder längerfristige Ernährung als Infusion über einen zentralen Zugang (z.B. Port, ZVK, Piccline) notwendig sein. Hierfür gibt es auch spezialisierte Pflegedienste, die diese im häuslichen Umfeld durchführen können. Weitere Informationen zur Tumorkachexie finden Sie für Fachleute in der Leitlinie zur Klinischen Ernährung (2015).
Es ist wichtig, dass Patientinnen und Patienten Gewichtsveränderungen mit dem Behandlungsteam frühzeitig und regelmäßig besprechen, damit die Ursachen abgeklärt werden und zeitnah dem weiteren Gewichtsverlust entgegengesteuert werden kann.
Therapieverfahren der integrativen Onkologie
Zur Behandlung einer Gewichtsabnahme können Verfahren aus der integrativen Onkologie, z.B. pflanzliche Präparate ergänzend eingesetzt werden. Zu einigen gibt es Ergebnisse aus klinischen Studien, zu anderen fundierte fachliche Behandlungserfahrung.
In klinischen Studien untersuchte Verfahren
L-Carnitin kann helfen, die tumorbedingte Gewichtsabnahme (Tumorkachexie) positiv zu beeinflussen. Hierfür gibt es Anhaltspunkte aus klinischen Studien. Die Leitlinie zur klinischen Ernährung in der Onkologie (2015) gibt allerdings keine Empfehlung für oder gegen den Einsatz von L-Carnitin bei der Tumorkachexie, da die Aussagekraft vorhandener Studien zu gering sei.
Im Rahmen einer Krebserkrankung kann durch veränderte Stoffwechselprozesse eine starke Gewichtsabnahme (Kachexie) auftreten. L-Carnitin werden positive Wirkungen auf den Stoffwechsel zugeschrieben. Es ist ein nicht essenzieller Nährstoff, der sowohl im menschlichen Körper gebildet als auch über die Nahrung aufgenommen wird.
L- Carnitin spielt eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel und bei Entzündungsprozessen. In seltenen Fällen können bei der Einnahme unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit, Schlaflosigkeit, Erbrechen oder leichte Magen-Darm-Verstimmungen auftreten. Zudem werden mögliche Wechselwirkungen mit Schilddrüsenmedikamenten beschrieben.
Patientinnen und Patienten können Präparate mit L-Carnitin als Nahrungsergänzungsmittel in Drogerien und Apotheken kaufen. Vor Beginn der Einnahme sollte Rücksprache mit dem Behandlungsteam gehalten werden.
Weiterführende Informationen finden Sie hier: L-Carnitin
Cannabinoide wurden bei starkem Gewichtsverlust (Tumorkachexie) in klinischen Studien untersucht. Daraus gibt es Anhaltspunkte, dass sie den Appetit steigern und das Geschmackserleben verbessern können. Nicht immer kommt es dabei jedoch zur gewünschten Gewichtszunahme. Nach der Leitlinie zur klinischen Ernährung (2015) kann erwogen werden, bei Patientinnen und Patienten mit starker Gewichtsabnahme und Geschmacksstörungen Cannabispräparate einzusetzen.
Cannabinoide wirken individuell sehr unterschiedlich. Sie können aber die Sinneswahrnehmungen verändern und verstärken und so dazu beitragen, das Geschmackserleben zu verbessern. Das kann hilfreich sein, um mehr Nahrung aufzunehmen und damit auch das Gewicht zu erhalten. Die Arzneimittel werden in Form von Tabletten/Kapseln, Tee, als ölige oder alkoholische Lösung, als Spray zur Anwendung in der Mundhöhle oder als Inhalation hergestellt.
Als unerwünschte Wirkungen können u.a. Stimmungsänderungen (Euphorie/Dysphorie), Depression, Angst und Paranoia, Gefühl der Depersonalisation, Halluzinationen, Gedächtnisstörung, verschwommenes Sehen und Schwindel, niedriger Blutdruck, Herzrasen und Mundtrockenheit auftreten. Auch die Verkehrstüchtigkeit kann eingeschränkt sein. Als Gegenanzeige für die Anwendung von Cannabis gelten psychotische Erkrankungen oder die familiäre Vorbelastung für solche Erkrankungen.
Schwangere, stillende Mütter sowie Männer und Frauen mit Kinderwunsch sollten aufgrund der unklaren Auswirkungen auf Fruchtbarkeit und das Ungeborene keine Cannabis-Präparate einnehmen. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind möglich, weswegen die Einnahme mit dem Behandlungsteam abgesprochen werden sollte.
Medizinischer Cannabis ist über jede Apotheke in Deutschland mit einem entsprechenden Rezept erhältlich und sollte auch nur dort erworben werden. Fragen Sie Ihr Behandlungsteam, ob Cannabinoide für Sie in Frage kommen.
Weiterführende Informationen finden Sie hier: Medizinischer Cannabis
Melatonin wurde zur Behandlung einer Tumorkachexie bei Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen in klinischen Studien untersucht. Die Forschungsergebnisse sind uneinheitlich. Einige Studien geben Anhaltspunkte für eine Wirksamkeit der Substanz, andere jedoch nicht. Daher hat Melatonin derzeit keinen klinischen Stellenwert in der Behandlung der Tumorkachexie. Die Leitlinien zur Komplementärmedizin (2021) und Supportiven Therapie (2020) erwähnen Melatonin in diesem Zusammenhang nicht.
Melatonin ist ein Stoff, der im menschlichen Körper hergestellt wird. Er wird u.a. zur Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus, des Blutdrucks und der Körpertemperatur benötigt und beeinflusst auch das Immunsystem. Melatonin kann auch als Medikament eingenommen werden.
Die Kosten sind gering. Als unerwünschte Wirkungen können in sehr seltenen Fällen Kopfschmerzen, Schwindel, depressive Symptome und Bauchschmerzen auftreten. Patientinnen und Patienten mit epileptischen Anfällen und erhöhter Krampfneigung sollten kein Melatonin einnehmen.
Patientinnen und Patienten können Melatonin als rezeptpflichtiges Arzneimittel in der Apotheke erwerben. Vor Beginn der Einnahme sollte Rücksprache mit dem Behandlungsteam gehalten werden.
Weiterführende Informationen finden Sie hier: Melatonin
Verfahren aus der Behandlungspraxis
Aus langjährigen Behandlungserfahrungen gibt es weitere, mit wenig Aufwand umzusetzende Maßnahmen, die helfen, Geschmacksstörungen entgegenzuwirken. Patientinnen und Patienten können hier selbst auswählen und probieren, was guttut und hilft.
Unter äußeren Anwendungen versteht man u.a. Einreibung, Massagen, Waschungen und Bäder. Sie werden mit Wärme, Kälte, Pflanzenstoffen oder ätherischen Ölen kombiniert, um die gewünschte Wirkung zu verstärken. Im Weiteren finden Sie mögliche Anwendungen aufgeführt, die sich bei Gewichtsverlust bewährt haben.
Praktische Tipps und Informationen zum Weiterlesen
Tipps
Mahlzeiten appetitlich anrichten, eine angenehme Atmosphäre schaffen, langsam essen
Im Einzelfall kann es hilfreich sein, sich beim Essen abzulenken (z.B. Lektüre, Gespräch, Fernseher)
starke Essensgerüche vermeiden
5 – 6 kleine Portionen pro Tag
Immer energiereiche Snacks zur Verfügung haben, auch unterwegs, z.B. Nüsse, Knabbergebäck
Gewürzarm kochen und selbst nachwürzen
Essen, worauf man Lust hat, über Konventionen hinwegsetzen
Appetitsteigernde Getränke (z.B. Aperitif, Wermut, Heilkräutertees mit Bitterstoffen (z.B. Schafgarbe) eine Stunde vor dem Essen
Trinken erst nach dem Essen, um den Magen nicht zu füllen
Verwendung energiereicher Getränke (z.B. Säfte, Milch, Malzbier)
Regelmäßige Bewegung, bevorzugt an der frischen Luft, z.B. auch ein Spaziergang zur Appetitanregung vor dem Essen
Ein Ernährungstagebuch kann dabei helfen, den Überblick (z.B. über verträgliche und unverträgliche Speisen) zu behalten.
Broschüren