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Glutamin

Hintergrund

Glutamin hat eine Sonderstellung unter den Aminosäuren, da sie prinzipiell nicht-essentiell ist, aber bei verschiedenen Zuständen wie Katabolie, Sepsis oder Trauma zu einer essentiellen Aminosäure werden kann. Der erhöhte Glutaminbedarf während Stresssituationen betrifft insbesondere Organe wie Niere, gastrointestinaler Trakt oder Immunsystem. Zellen des Immunsystems und Enterozyten nutzen Glutamin zur Energiebereitstellung. Zudem ist Glutamin Substrat in der Glutathion-Synthese. In tierexperimentellen Studien konnte ein protektiver Einfluss auf Vincristin-, Paclitaxel- und Cisplatin-induzierte Neuropathie beobachtet werden.

Glutamin ist sowohl als Nahrungsergänzungsmittel für die Selbstanwendung verfügbar als auch als intravenöse Formulierung, letztere ist rezeptpflichtig und erfordert fachliche Begleitung. Der finanzielle Aufwand ist bei Nahrungsergänzungsmitteln gering, bei intravenöser Gabe jedoch hoch.

Wirksamkeit

In der onkologischen Supportivtherapie wurde Glutamin mit oralen aber auch parenteralen Dosierungen bis zu 30g/Tag zu folgenden Indikationen untersucht:

  • Prophylaxe der Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie (CIPN): Es gibt einen Anhaltspunkt für die fehlende Wirksamkeit in der Prophylaxe der Carboplatin und Paclitaxel induzierten Neuropathie. Glutamin (oral oder intravenös verabreicht) könnte einen Stellenwert in der Prophylaxe der Oxaliplatin induzierten Neuropathie bekommen, wenn die bisher bestehenden Anhaltspunkte für die Wirksamkeit in weiteren Studien bestätigt werden. Hierzu wurden folgende Studien ausgewertet:

    • In der Placebo-kontrollierten Pilot-Studie von Loven et al. (2009) erhielten Patienten (n=67) mit Ovarialkarzinomen oder primären peritonealem Karzinom eine Kombinationschemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel.  Die Interventionsgruppe erhielt zur Prophylaxe der CIPN oral verabreichtes Glutamat (1,5g/Tag mit Beginn bis 3 Wochen nach Beendigung der Chemotherapie) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Primärer Endpunkt war die Inzidenz der Neuropathie gemessen durch neurophysiologische Tests und neurologische Untersuchungen nach sechs Zyklen Chemotherapie. Da kein signifikanter Unterschied in der Inzidenz der CIPN zwischen den beiden Gruppen bestand, wurde die Pilot-Studie geschlossen. Auch die neurophysiologischen Tests zeigten keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen.

    • In der nicht verblindeten Studie von Wang et al. (2007) erhielten Patienten (n=86) mit metastasierten kolorektalen Karzinomen eine Oxaliplatin basierte Chemotherapie. Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (30g/Tag für sieben aufeinanderfolgende Tage mit Beginn der Chemotherapie) während die Kontrollgruppe keine zusätzliche Behandlung erhielt. Die Neuropathie wurde durch neurologische Untersuchungen eingeschätzt und nach NCI-CTC graduiert sowie nicht standardisierte Befragungen durchgeführt. Bei einem Teil der Patienten (32%) wurde zusätzlich neurophysiologische Tests durchgeführt. Die Autoren berichteten, dass die subjektiv empfundene Neuropathie im Glutamin-Arm signifikant geringer sei aber die neurophysiologischen Untersuchungen sich nicht unterschieden.

    • In der nicht verblindeten Studie von Gabr et al. (2016) erhielten Patienten (n=120) mit metastasierten kolorektalen Karzinomen Oxaliplatin-haltige Chemotherapien. Die Interventionsgruppe erhielt zusätzlich intravenös verabreichtes Glutamin (20g/Tag an den ersten beiden Tagen jedes Chemotherapie Zykluses), während die Kontrollgruppe keine Intervention erhielt. Die Neuropathie wurde mittels einer nicht weiter spezifizierten neurologischen Untersuchung eingeschätzt und es wurden zudem neurophysiologische Tests durchgeführt. Die Autoren berichteten von einer geringeren Inzidenz und Ausprägung der Oxaliplatin-induzierten Neuropathie und die Anzahl der Dosisreduktionen der Chemotherapie waren im Interventionsarm signifikant geringer.

    • Eine Studie (Loven 2009) gibt einen Anhaltspunkt für die fehlende Wirksamkeit von oral verabreichtem Glutamat zur Prophylaxe der Neuropathie bei kombinierter Paclitaxel-Carboplatin-Therapie.

    • Eine Studie (Wang 2007) gibt einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit von oral verabreichtem Glutamin zur Prophylaxe der Oxaliplatin-induzierten Neuropathie.

    • Eine Studie (Gabr 2016) gibt einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit von intravenös verabreichtem Glutamin (L-Alanyl-L-Glutamin-Dipeptid) zur Prophylaxe der Oxaliplatin induzierten Neuropathie.

  • Prophylaxe der Mukositis bei Stammzelltransplantation: Es gibt einen Hinweis für fehlende Wirksamkeit sowie einen Hinweis auf erhöhte Mortalität/Rezidivrate von parenteral oder oraler Supplementation von Glutamin zur Prophylaxe der Mukositis bei Stammzelltransplantation. Hierzu wurden folgende Studien ausgewertet:

    • In der Studie von Piccirillo et al. (2003) erhielten Patienten (n=48) vor einer autologen Stammzelltransplantation bei verschiedenen hämatologischen Erkrankungen (Leukämien und Lymphome) oder Osteosarkom, unterschiedliche Hochdosisregime ohne Hinzunahme einer Bestrahlung. Eine Gruppe erhielt parenteral Glutamin während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Die Mukositis wurde durch den Arzt täglich erhoben, was den primären Endpunkt darstellte. Die Schwere der maximalen Mukositis war in dem Glutamin-Arm knapp signifikant geringer.

    • In der Studie von Blijlevens et al. (2005) erhielten Patienten (n=32) vor einer allogenen Stammzelltransplantation aufgrund verschiedener hämatologischer Erkrankungen (Leukämien, MDS, MPN und Lymphome) eine Kondionierung mit Idarubicin, Cyclophosphamid und Ganzkörperbestrahlung. Die Interventionsgruppe erhielt parenteral Glutamin (0,57g/kg) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Der primäre Endpunkt war die Messung der intestinalen Permeabilität (mittels eines Zucker-Tests), während die sekundären Endpunkte orale und enterale Mukositis gemessen mittels eines Arzt erhobenen Fragebogens, waren. Bezüglich des primären und der sekundären Endpunkte bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, außer, dass an einem Messpunkt (Tag +7) die enterale Mukositis im Glutamin Arm signifikant geringer war.

    • In der Studie von Pytlik et al. (2002) erhielten Patienten (n=40) vor einer autologen Stammzelltransplantation bei hämatologischen Erkrankungen (Leukämie, Lymphome), multipler Sklerose (n=4) oder soliden Tumoren (n=4) unterschiedliche Hochdosisregime – teils mit Ganzkörperbestrahlung. Die Interventionsgruppe erhielt parenteral Glutamin (20g/Tag) während die Kontrollgruppe eine Glutamin-freie Aminosäure Lösung erhielt. Die orale Mukositis, mittels des „Nebraska oral assessment score" gemessen und durch eine Krankenschwester erhoben, sowie Anzahl der Diarrhoen, waren sekundäre Endpunkte der Studie. Primäre Endpunkte waren Infektionsrate, Antibiotikaverbrauch, Länge des Krankenhausaufenthaltes usw. Im Glutamin-Arm traten signifikant mehr Diarrhoen auf zudem war die Mukositis an den Tagen +12 und +13 signifikant schwerer. Die maximale Mukositis-Schwere unterschied sich nicht zwischen beiden Armen. In der Nachbeobachtungszeit über 24 Monate war im Glutamin-Arm die Rate an Rezidiven signifikant und die Rate an Todesfällen knapp signifikant höher als im Kontroll-Arm.

    • In der Studie von Jebb et al. (1995) erhielten Patienten (n=24) bei hämatologischen Erkrankungen (Leukämien und Lymphome) vor einer autologen Stammzelltransplantation eine Hochdosischemotherapie mit BCNU, Etoposid und Melphalan. Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (16g/Tag) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Es waren keine primären Endpunkte definiert. Mukositis, gemessen mittels eines Fragebogens, wurde Patienten berichtet und durch eine Krankenschwester erhoben sowie die Anzahl der Diarrhoen aufgenommen. Für alle erhobenen Daten konnte kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen festgestellt werden.

    • In der Studie von Coghlin Dickson et al. (2000) erhielten Patienten (n=58) mit hämatologischen Erkrankungen (Leukämien und Lymphome) vor einer autologen oder allogenen Stammzelltransplantation nicht weiter beschriebene Hochdosis bzw. Konditionierungsregime mit Ganzkörperbestrahlung. Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (30g/Tag) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Gemessen wurden Mukositis Schwere (mittels des "Stanford University Hospital BMT scale") und die Tage mit Mukositis wie auch die Anzahl der Tage mit Diarrhoe und deren Quantität. Es konnte zwischen beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied bzgl. Mukositis und Diarrhoen gefunden werden.

    • In der Studie von Schloerb et al. (1999) erhielten Patienten (n=66) mit hämatologischen Erkrankungen (Leukämien oder Lymphome) oder soliden Tumoren (Mamma- oder Ovarialkarzinom und Ewing Sarkom) vor autologer oder allogener Stammzelltransplantation eine Hochdosischemotherapie (mit Cyclophosphamid, Carmustin und Etoposid bei Lymphomen bzw. Cyclophosphamid und Thiotepa bei soliden Tumoren) bzw. eine Konditionierung mit entweder Ganzkörperbestrahlung (12Gy) und Cyclophosphamid oder Cyclophosphamid und Busulfan. Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (30g/Tag) bzw. 0,57g/kg/Tag bei parenteraler Ernährung während die Kontroll-Gruppe ein entsprechendes Placebo erhielten. Ein primärer Endpunkt wurde nicht definiert. Die Inzidenz und Schwere der Mukositis wurde ohne Grading-System aus den Schwesternkurven entnommen. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden.

  • Prophylaxe der Mukositis bei Chemotherapie: Die Ergebnisse der Studien sind widersprüchlich, so dass keine Aussage zur Wirksamkeit von oral oder parenteral verabreichtem Glutamin zur Prophylaxe der Chemotherapie-assoziierten Mukositis gemacht werden kann. Es wurden folgende Studien ausgewertet:

    • In der doppelblinden und placebokontrollierten Studie von Daniele et al. (2001) erhielten Patienten (n=62) mit kolorektalem Karzinom in der adjuvanten oder metastasierten Situation eine Chemotherapie mit 5-FU (Bolus an 5 aufeinander folgenden Tagen kombiniert mit Leukovorin). Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (18g/Tag) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Die Studie endete bereits geplant nach dem ersten Zyklus. Primäre Endpunkt war die Messung der Veränderung der intestinalen Absorption (D-Xylose Test) sowie als sekundäre Endpunkte, die Messung der intestinalen Permeabilität (mittels Cellobiose-Mannitol Test) und die Feststellung der Anzahl der Diarrhoen. Wenn Diarrhoen auftraten war die Einnahme von Loperamid erlaubt und es wurde die Gesamtmenge der eingenommenen Tabletten aufgezeichnet. Intestinale Absorption und Permeabilität waren signifikant höher bzw. geringer im Glutamin-Arm. Die Anzahl der der Diarrhoen unterschied sich nicht signifikant, allerdings wurden im Placebo-Arm signifikant mehr Loperamid Tabletten eingenommen.

    • In der doppelblinden und placebokontrollierten Studie von Jebb et al. (1994) erhielten Patienten (n=28) mit verschiedenen gastrointestinalen Tumoren eine Chemotherapie mit 5-FU (Bolus an 5 aufeinander folgenden Tagen kombiniert mit Leukovorin). Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (16g/Tag) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Die Mukositis, Diarrhoen und Stuhlkonsistenz wurden durch den Patienten berichtet (mittels Tagebuch) und am Ende jedes Zykluses wurde durch den Arzt die Mukositis (mittels einer WHO Skala) erhoben. Es konnten weder für die Patienten berichteten noch für die durch den Arzt erhobenen Ergebnisse ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen festgestellt werden.

    • In der doppelbinden, Placebo kontrollierten Studie von Okuno et al. (1999) erhielten Patienten (n=134) mit nicht weiter beschriebenen Karzinomen eine Chemotherapie mit 5-FU und Leukovorin (scheinbar Bolus Regime über 5 Tage). Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (8g/Tag) während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. Mukositis wurde vom Arzt erhoben (mittels einer CTCAE ähnlichen Einteilung) sowie durch den Patienten berichtet (mittels eines Tagebuchs mit standardisierten Fragen). Es konnte weder für die vom Arzt erhobenen noch für die vom Patienten berichtete Schwere und Dauer der Mukositis ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen gefunden werden.

    • In der nicht verblindeten Studie von Choi et al. (2006) erhielten Patienten (n=51) mit unterschiedlichen fortgeschrittenen oder metastasierten Karzinomen eine Chemotherapie mit 5-FU und Leukovorin (kontinuierliche Gabe über 5 Tage). Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (30g/Tag) während die Kontrollgruppe keine Intervention erhielt. Ein Endpunkt wurde nicht definiert und die Mukositis wurde Arzt erhoben (mittels CTCAE) sowie wurde die intestinale Permeabilität (durch Verabreichung eines radioaktiv markierten Chrom-EDTA Komplexes) gemessen. Mukositis (Grad 2 bis 4) traten in der Kontrollgruppe signifikant häufiger auf, zudem war die intestinale Permeabilität im Glutamin-Arm signifikant geringer.

    • In der teilverblindeten, nicht Placebo kontrollierten Studie von Decker-Baumann et al. (1999) erhielten Patienten (n=24) mit metastasiertem kolorektalem Karzinom eine Chemotherapie mit 5-FU und Leukovorin (kontinuierliche Gabe über 5 Tage). Die Interventionsgruppe erhielt parenteral verabreichtes Glutamin (0,4g/kg/Tag) während die Kontrollgruppe keine Intervention erhielt. Die Mukositis wurde nach dem ersten und dritten Zyklus mittels Gastroduodenoskopie durch einen verblindeten Endoskopiker ermittelt und Proben zur Messung der Villus-Krypten-Ratio entnommen. Zudem wurde die tägliche Kalorienaufnahme gemessen und Anzahl der Diarrhoen, orale sowie anale Mukositis mittels einer WHO Skala ermittelt. Während sich bei der oralen und analen Mukositis, den Diarrhoen sowie der Kalorienaufnahme kein signifikanter Unterschied zeigte, waren in der Endoskopie signifikant mehr Mukosa-Schädigungen im Placebo-Arm und eine signifikant höhere Villus-Krypten Ratio im Glutamin-Arm festgestellt worden.

    • In der placebokontrollierten, (mutmaßlich) doppelblinden Studie von Li et al. (2006) erhielten Patientinnen mit einem Mammakarzinom (n=60) einen Kurs einer neoadjuvanten Chemotherapie nach dem CEF-Protokoll (Cyclophosphamid, Epirubicin und 5-FU) mit direkt anschliessender Operation. Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin (30g/Tag) während die Kontrollgruppe Placebo erhielt. Durch den Patienten erhoben wurden Diarrhoen und Stomatitis (mittels eines Tagebuchs) sowie wurde eine intestinale Permeabilitätsmessung (mittels Lactulose-Mannitol Test) durchgeführt. Stomatitis und Diarrhoen waren in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Die intestinale Permeabilität war im Placebo Arm signifikant höher.

    • In der doppelblinden Studie mit Crossover von Li et al. (2009) erhielten Patienten (n=44) mit Magenkarzinom eine Chemotherapie nach dem FAM-Protokoll (5-FU, Doxorubicin und Mitomycin) und Patienten mit kolorektalem Karzinom FOLFOX-4. Die Interventionsgruppe erhielt parenteral verabreichtes Glutamin (20g/Tag) während die Kontrollgruppe keine Intervention erhielt. Patienten erhoben und durch den Arzt erfragt wurden mittels einer WHO Skala Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoen, welche im Glutamin-Arm signifikant geringer ausgeprägt waren.
      In der unverblindeten Studie von Sornsuvit et al. (2008) erhielten Patienten (n=16) mit einer akuten myeloischen Leukämie eine Induktionschemotherapie mit Cytarabin und verschiedenen Kombinationspartnern (Idarubicin, Mitoxantron, Fludarabin oder Etoposid) oder Etoposid und Mitoxantron oder Etoposid mit Mitoxantron und Cytarabin. Die Interventionsgruppe erhielt parenteral verabreichtes Glutamin (30g/Tag) während die Kontrollgruppe eine Standard Aminosäure Mischung erhielt. Mukositis und Diarrhoen wurden mittels eines Patienten erhoben Tagebuchs ermittelt. Weder die Schwere noch die Dauer der Mukositis und der Diarrhoen waren zwischen beiden Gruppen signifikant unterschiedlich.

    • In der doppelblinden, Phase III Studie mit Crossover von Peterson et al. (2006) erhielten 302 Patientinnen mit einem Mammakarzinom eine Chemotherapie mit 5-FU, Doxorubicin und Cyclophosphamid oder Doxorubicin und Cyclophosphamid. Es wurden nur Patientinnen eingeschlossen, die nach einem ersten Kurs eine orale Mukositis ≥ 2° (nach WHO) erlitten. Die Interventionsgruppe erhielt oral verabreichtes Glutamin mit einer speziellen Galenik (Saforis® 7,5g/Tag für im Durchschnitt 19 Tage), die eine schnelle Aufnahme in die oral Mukosa ermöglichen soll. Die Kontrollgruppe erhielt ein Placebo. Nach einem Kurs wurden, ohne eine Auswaschphase die Arme gewechselt. Gemessen wurden die Inzidenz der Mukositis ≥ 2° (nach WHO), die Dauer der Mukositis und ein Arzt erhobener „oral mucositis assessment scale" (OMAS) sowie Patienten berichtet (und nicht weiter definiert) orale Schmerzen und Schwierigkeiten feste Nahrung zu schlucken. Im Placebo-Arm waren Mukositis Schwere und Inzidenz wie auch OMAS signifikant höher. Nachdem Crossover von Placebo zu Glutamin fiel die Mukositis Inzidenz signifikant ab, während die Mukositis Inzidenz sich im Placebo (vormals Glutamin) Arm nicht signifikant veränderte.

    • 5-FU mit Leukovorin Monotherapie: Aus vier Studien (Decker-Baumann C 1999, Daniele 2001, Jebb 1994, Okuno 1999) gibt es einen Hinweis auf die fehlende Wirksamkeit von oral oder parenteral verabreichtem Glutamin zur Prophylaxe der 5-FU und Leukovorin (gegeben als Bolus Regime oder kontinuierlich über 5 Tage) induzierten Mukositis während eine Studie (Choi 2006) einen Anhaltspunkt für eine Wirksamkeit von oral verabreichtem Glutamin zur Prophylaxe der der 5-FU und Leukovorin (gegeben als kontinuierliche Infusion über 5 Tage) induzierten Mukositis, gibt. Aus einer Studie (Decker-Baumann C 1999) gibt es einen Anhaltspunkt für eine geringere endoskopisch nachweisbare Schleimhautschädigung im Magen und Duodenum.

    • Kombinationschemotherapien solider Tumore: Aus einer Studie (Li 2009), gibt es einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit der parenteralen Verabreichung von Glutamin zur Prophylaxe von Diarrhoen bedingt durch FOLFOX-4 bzw. dem FAM-Protokoll (5-FU, Doxorubicin und Mitomycin), während es aus einer Studie (Li 2006) einen Hinweis für die fehlende Wirksamkeit von oral verabreichtem Glutamin zur Prophylaxe der Stomatitis und Diarrhoen bei dem CEF-Protokoll (Cyclophosphamid, Epirubicin und 5-FU) gibt.

    • Aus einer Studie (Peterson 2006) gibt es einen Hinweis auf eine Wirksamkeit von oral verabreichtem Glutamin in spezieller Galenik (Handelsname: Saforis®) in der Prophylaxe der oralen Mukositis bei Kombinationschemotherapien aus 5-FU, Doxorubicin und Cyclophosphamid oder Doxorubicin und Cyclophosphamid. Dieses Produkt wurde allerdings nie zugelassen und ist nicht erhältlich.

    • Induktionschemotherapie AML: Aus einer Studie (Sornsuvit 2008) gibt es einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit von parenteral verabreichtem Glutamin zur Prophylaxe der Mukositis bedingt durch eine Kombinationschemotherapie mit Cytarabin (Kombinationspartner: Idarubicin, Mitoxantron, Fludarabin oder Etoposid) oder Etoposid und Mitoxantron oder Etoposid mit Mitoxantron und Cytarabin

Aussagen in Leitlinien

Die Leitlinie der AWMF zur Komplementärmedizin (2023) erwähnt Glutamin nicht. Die Leitlinie zur Supportivtherapie bei onkologischen Patient*innen (2025) gibt eine "kann"-Empfehlung zum oralen Einsatz von Glutamin zur Prophylaxe der Chemotherapie-assoziierten Mukositis, eine "soll nicht" Empfehlung zur Prophylaxe der oralen Mukositis bei HSZT (mit oder ohne Ganzkörperbestrahlung) sowie bei der radiogenen Diarrhoe.

Sicherheit

Unabhängig von der Formulierung sind unerwünschte Wirkungen sehr selten. Die orale Form ist als Nahrungsergänzungsmittel verfügbar. Intravenöse Formulierungen sind rezeptpflichtig und erfordern eine medizinische Überwachung. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit aktiver Tumorerkrankung und geplanter Hochdosischemotherapie, da in Einzelfällen höhere Rezidiv- und Sterberaten beobachtet wurden.

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