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Carnitin (L-Carnitin)

Hintergrund

Carnitin ist der Oberbegriff für eine Substanz, die im menschlichen Organismus sowie den meisten Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen physiologisch vorkommt, und umfasst eine Gruppe von Verbindungen, zu der auch Acetyl-L-Carnitin und Propionyl-L-Carnitin gehören. Carnitin findet sich im Körper überwiegend in der Skelettmuskulatur, wo es durch die β-Oxidation von Fettsäuren von entscheidender Bedeutung für den Energiestoffwechsel ist. Daneben spielt es durch die Modulation von Entzündungs- und Oxidationsprozessen auch eine wichtige Rolle für die Stressreaktion.

L-Carnitin gilt nicht als essentieller Nährstoff, da Menschen es nicht nur durch die Nahrung aufnehmen, sondern auch durch Biosynthese selbst herstellen können. Nur in Ausnahmesituationen (z. B. bei erhöhtem renalem Verlust) kann der Bedarf die Biosynthesekapazität übersteigen. Kommerziell wird L-Carnitin meist über Biosyntheseprozesse mit Hilfe von Zellkulturen hergestellt und in der Regel als orales Nahrungsergänzungsmittel vertrieben.

Wirksamkeit

Zum Einsatz in der onkologischen Supportivtherapie ist die Wirksamkeit von L-Carnitin zu folgenden Indikationen untersucht worden:

  • Tumorkachexie: Eine kleine RCT und eine nicht-kontrollierte Studie geben Anhaltspunkte für einen positiven Einfluss von L-Carnitin auf Tumorkachexie, insbesondere zur Verringerung von Muskelabbau (niedrige Ergebnissicherheit).

  • Fatigue: Aus einem SR und 3 RCTs gibt es zusammenfassend einen Hinweis für fehlende Wirksamkeit von L-Carnitin zur Behandlung der Fatigue (moderate Ergebnissicherheit).

  • Prophylaxe der Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie (CIPN): Zwei RCTs zu Taxan-basierten Chemotherapien (n=437, n=160) und eine RCT zu nicht-Taxan-basierter Chemotherapie (Sagopilone, n=150) geben einen Hinweis für fehlende Wirskamkeit von Acetyl-L-Carnitin (ALC) in der Prophylaxe der CIPN. Die größte dieser Studien berichtete, dass eine prophylaktische Therapie mit ALC das Risiko für CIPN und deren Persistenz sogar erhöhte.

  • Therapie der Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie (CIPN): Die Ergebnisse einer RCT (n=240) geben einen Anhaltspunkt, dass Acetyl-L-Carnitin bei der Behandlung der CIPN verursacht durch Paclitaxel, Cisplatin oder Vinblastin wirksam sein könnte (niedrige Ergebnissicherheit).

Dieser Abschnitt ist eine Zusammenfassung aus dem Eintrag der Monographie auf Cam-Cancer (2024), der in englischer Sprache verfügbar ist. Eine genaue Darstellung und Bewertung der Ergebnisse der ausgewerteten Studien findet sich dort.

Aussagen in Leitlinien

Die Leitlinie der AWMF zur Komplementärmedizin (2024) spricht aufgrund fehlender/widersprüchlicher Daten keine Empfehlung zum Einsatz von L-Carnitin zur Behandlung der Fatigue oder Tumorkachexie aus. In Bezug auf CIPN gibt es eine "soll nicht" Empfehlung zu L-Carnitin zur Prophylaxe der Taxan-induzierten Neuropathie. Die Leitlinie zur Supportivtherapie bei onkologischen Patient*innen (2025) erwähnt L-Carnitin nicht.

Sicherheit

Alle klinischen Daten sprechen dafür, dass L-Carnitin gut vertragen wird und in klinischen Studien in Dosierungen von 250 mg bis 6 g pro Tag über bis zu sechs Monate sicher angewendet werden kann.

Literatur

Die oben erwähnte Literatur und weiterführende Informationen erhalten Sie in den entsprechenden Einträgen auf in englischer Sprache auf Cam-Cancer (2024)