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Kompetenznetz KOKON

Multimodales Training

Hintergrund

Wirksamkeit

Sicherheit

Beschreibung
Aufgrund des fundamental unterschiedlichen Pathomechanismus, ist die CIPN nicht mit anderen Neuropathien wie zum Beispiel der diabetischen Neuropathie vergleichbar. Daher werden an dieser Stelle keine Analogieschlüsse aus Ergebnissen von Studien mit diabetischer oder anderweitiger Neuropathie herangezogen.

Die Wirksamkeit eines multimodalen Trainings ist in robusten Studien nur schwierig zu überprüfen. Ein multimodales Training ist aus verschiedenen Komponenten aufgebaut wie Kraft-, Ausdauer-, Vibrations- und sensomotorisches Training. Zur Prophylaxe oder Behandlung der CIPN werden durch verschiedene Institutionen die Anwendung einzelner oder mehrerer Komponenten vorgeschlagen und auch Anleitungen gegeben. Allerdings fehlen für diese vorgeschlagenen Interventionen Fakten aus Studien an Patienten mit CIPN und es werden Analogieschlüsse aus Studien mit multimodalem Training bei anderen Neuropathien herangezogen.

Einsatz in der Supportivtherapie
In KOKONbase sind Daten aus aktuellen Studien, Übersichtsarbeiten und Leitlinien zu folgenden Indikationen verfügbar:

  • Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie

Supportiv-Therapie

Evidenzbasierte Zusammenfassung
Es wurden drei randomisierte, kontrollierte, unverblindete Studien bewertet, die ein multimodales Training bestehend aus den Komponenten Ausdauer-, Kraft- und sensomotorisches Training bei unterschiedlichen Chemotherapien zur Prophylaxe einer CIPN untersuchten.

Ausgewertete Studien
In der Studie von Streckmann (2013) erhielten Patienten mit einem Lymphom begleitend zu ihrer nicht weiter beschriebenen antineoplastischen Therapie (Immun-Chemotherapie, Hochdosis-Chemotherapie vor autologer oder allogener Stammzelltransplantation, Bestrahlung) über 36 Wochen zweimal pro Woche ein supervidiertes sensomotorisches, Ausdauer- und Krafttraining während die Kontrollgruppe eine Standard-Physiotherapie erhielt. Die Lebensqualität (gemessen mittels EORTC-QoL-C30) war als primärer Endpunkt in Woche 12 aber nicht in Woche 36 signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Die sekundären Endpunkte waren neuropathische Beschwerden und wurden mittels Stimmgabeltest, Gleichgewichtskontrolle und körperliche Aktivität gemessen und waren in der Interventionsgruppe signifikant besser. 

In der Studie von Zimmer (2017) erhielten Patienten mit einem metastasiertem kolorektalem Karzinom eine nicht weiter beschriebene Chemotherapie. In der Interventionsgruppe wurde über 8 Wochen zweimal pro Woche ein supervidiertes Ausdauer-, Balance- und Krafttraining durchgeführt während die Kontrollgruppe eine schriftliche Anweisung für physische Aktivität erhielt. Der primäre Endpunkt waren die vom Patienten berichteten neuropathischen Beschwerden (gemessen mittels FACT-GOG-Ntx). Die neuropathischen Beschwerden waren in der Interventionsgruppe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe.

In der Studie von Kleckner (2017) erhielten Patienten mit unterschiedlichen Tumoren ein Platin, Taxan und/oder Vinca Alkaloid basierte Chemotherapie. Die Interventionsgruppe erhielt ein nicht supervidiertes, individuelles, patentiertes Ausdauer und Krafttraining während die Kontrollgruppe keine Intervention erhielt. CIPN war kein Endpunkt der Studie, sondern wurde in einer sekundären Datenanalyse ausgewertet worden. Hier konnte ein Trend bzw. knapp signifikant weniger neuropathische Beschwerden wie Gefühlsstörungen in der Interventionsgruppe festgestellt werden.

Aus diesen Studien gibt es einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit eines multimodalen Trainings (sensomotorisches, Kraft- und Ausdauertraining) zur Prophylaxe der Vincristin, Platin und/oder Taxan induzierten peripheren Neuropathie.

Folgerungen für die Praxis
Ein multimodales Training bestehend aus Komponenten mit sensomotorischem, Kraft- und Ausdauertraining haben im Rahmen eines supervidierten Sportprogramms einen klinischen Stellenwert aufgrund eines Anhaltspunktes für eine Wirksamkeit bei fehlenden Sicherheitsbedenken.

Aussagen in Leitlinien
Die S3-Leitlinie der AWMF (2017) spricht eine „kann" Empfehlung für ein regelmäßiges Funktionstraining zur Prophylaxe einer CIPN aus. Diese Empfehlung stützt sich dabei auf keine Studien, sondern ist ein Expertenkonsens.

Die Leitlinie der ASCO (Hershman 2014) hat multimodales Training nicht bewertet.

Literatur
Hershman DL, Lacchetti C, Dworkin RH, Lavoie Smith EM, Bleeker J, Cavaletti G, et al. Prevention and management of chemotherapy-induced peripheral neuropathy in survivors of adult cancers: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol. 2014 Jun 20;32(18):1941-67.

Kleckner IR, Kamen C, Gewandter JS, Mohile NA, Heckler CE, Culakova E, et al. Effects of exercise during chemotherapy on chemotherapy-induced peripheral neuropathy: a multicenter, randomized controlled trial. Support Care Cancer. 2017 Dec 14.

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - Langversion 1.1, 2017, AWMF Registernummer: 032/054OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Supportive-Therapie.95.0.html (Zugriff am 25.01.2018)

Streckmann F, Kneis S, Leifert JA, Baumann FT, Kleber M, Ihorst G, et al. Exercise program improves therapy-related side-effects and quality of life in lymphoma patients undergoing therapy. Ann Oncol. 2014 Feb;25(2):493-9.

Zimmer P, Trebing S, Timmers-Trebing U, Schenk A, Paust R, Bloch W, et al. Eight-week, multimodal exercise counteracts a progress of chemotherapy-induced peripheral neuropathy and improves balance and strength in metastasized colorectal cancer patients: a randomized controlled trial. Support Care Cancer. 2018 Feb;26(2):615-624.

Evidenzbasierte Zusammenfassung
Es wurden zwei randomisierte, kontrollierte und eine nicht randomisierte, nicht-kontrollierte Studie bewertet, die verschiedene multimodale Beübungen teilweise unter Hinzunahme einer Vibrationsplatte bzw. eines Balance-Übungsgerätes untersuchten.

Ausgewertete Studien
In der randomisierten, kontrollierten, unverblindeten Studie von Schönsteiner (2017) erhielten Patienten (n=131) mit einer Neuropathie induziert durch Platinderivate, Taxane, Vinca Alkaloide, Bortezomib oder Kombinationen aus Taxan und Platin neben einer physiotherapeutischen Beübung und Massagen zusätzlich in der Interventionsgruppe Übungen auf einer Ganzkörper-Vibrationsplatte. Bezüglich des primären Endpunkts, dem fünfmaligen Aufstehen von einem Stuhl in einer gewissen Zeit, verbesserten sich über die Zeit des Studieneinschlusses beide Gruppen ohne signifikanten Unterschied, wenn auch die Interventionsgruppe am Studienende statistisch schneller die Übung absolvieren konnte. Die durch den Patienten empfundenen neuropathischen Beschwerden waren in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich.
 
In der randomisierten, einfach blinden, kontrollierten Studie von Schwenk (2016) erhielten Patienten (n=22) mit CIPN, ohne weitere Nennung der verursachenden Chemotherapie, entweder über 4 Wochen zweimal wöchentlich komplexe Sensor basierte Bewegungsübungen oder keine Übungen. Nach Abschluss der Intervention wurden durch den verblindeten Untersucher der Romberg Stehversuch bewertet zudem die Gefühlsstörungen und neuropathischen Schmerzen mittels einer nummerischen Analogskala durch den Patienten berichtet wie auch die Angst vor einem Sturz mittels eines Bewertungssystems gemessen und die Schritt Performance begutachtet. Des Weiteren wurden Stabilität von Hüfte und Sprunggelenk gemessen. Primärer Endpunkt war allerdings die Messung des Körperschwerpunkts bei geöffneten Augen (analog zum Romberg Stehversuch mit geschlossenen Augen).  Während sich für die Schritt Performance, die Angst vor einem Sturz, Bewertung der Schmerzen und Gefühlsstörung sowie den Romberg Stehversuch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen zeigten, waren die Stabilität der Hüfte und des Sprunggelenks sowie die Kontrolle des Körperschwerpunkts bei geöffneten in der Interventionsgruppe signifikant besser.  

In der nicht randomisierten, nicht kontrollierten Studie von Cammisuli (2016) erhielten Patienten (n=7) mit Paclitaxel, Cisplatin oder Oxaliplatin induzierter Neuropathie eine komplexe Behandlung mit einem speziellen Balance-Übungsgerät (SmartBalanceMaster®). Die Balance war nach 4-wöchiger Beübung signifikant besser als zum Zeitpunkt des Studieneintritts.

Aus einer randomisierten, kontrollierten Studie gibt es einen Hinweis auf die fehlende Wirksamkeit von Übungen auf einer Ganzkörpervibrationsplatte zur Therapie der CIPN. (Schönsteiner 2017)

Aus zwei Studien gibt es einen Anhaltspunkt, dass eine posturale Beübung zu einer Verbesserung der Balance führen kann. (Cammisuli 2016, Schwenk 2016)

Folgerungen für die Praxis
Trotz bisher fehlender überzeugender Hinweise auf eine Wirksamkeit eines allgemeinen oder speziellen multimodalen Trainings zur Therapie der CIPN, hat dieses einen klinischen Stellenwert.

Aussagen in Leitlinien
Die S3-Leitlinie der AWMF (2017) spricht eine „sollte" Empfehlung für ein Feinmotorik-, Vibrations-, Koordinations- und ein sensomotorisches Training sowie für Balanceübungen zur Therapie einer CIPN aus. Die S3-Leitlinie der AWMF (2017) hat eine Studie die speziell CIPN untersuchte bewertet (Streckmann 2013 – siehe multimodales Training Prophylaxe). Die Empfehlung der Leitlinie basiert auf mehreren Studien, die bei verschiedenen Neuropathien durchgeführt wurden.

Die Leitlinie der ASCO (Hershman 2014) hat ein multimodales Training zur Therapie der CIPN nicht bewertet.

Literatur
Cammisuli S, Cavazzi E, Baldissarro E, Leandri M.Rehabilitation of balance disturbances due to chem-otherapy-induced peripheral neuropathy: a pilot study. Eur J Phys Rehabil Med. 2016 Aug;52(4):479-88.

Hershman DL, Lacchetti C, Dworkin RH, Lavoie Smith EM, Bleeker J, Cavaletti G, et al. Prevention and management of chemotherapy-induced peripheral neuropathy in survivors of adult cancers: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol. 2014 Jun 20;32(18):1941-67.

Kleckner IR, Kamen C, Gewandter JS, Mohile NA, Heckler CE, Culakova E, et al. Effects of exercise during chemotherapy on chemotherapy-induced peripheral neuropathy: a multicenter, randomized controlled trial. Support Care Cancer. 2017 Dec 14.

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - Langversion 1.1, 2017, AWMF Registernummer: 032/054OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Supportive-Therapie.95.0.html (Zugriff am 25.01.2018)

Schönsteiner SS, Bauder Mißbach H, Benner A, Mack S, Hamel T, Orth M, et al. A randomized exploratory phase 2 study in patients with chemotherapy-related peripheral neuropathy evaluating whole-body vibration training as adjunct to an integrated program including massage, passive mobilization and physical exercises. Exp Hematol Oncol. 2017 Feb 7;6:5

Schwenk M, Grewal GS, Holloway D, Muchna A, Garland L, Najafi B. Interactive Sensor-Based Balance Training in Older Cancer Patients with Chemotherapy-Induced Peripheral Neuropathy: A Randomized Controlled Trial. Gerontology. 2016;62(5):553-63.

Zimmer P, Trebing S, Timmers-Trebing U, Schenk A, Paust R, Bloch W, et al. Eight-week, multimodal exercise counteracts a progress of chemotherapy-induced peripheral neuropathy and improves balance and strength in metastasized colorectal cancer patients: a randomized controlled trial. Support Care Cancer. 2017 Sep 30.

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