Zum Hauptinhalt
Kompetenznetz KOKON

Menthol äußerlich

Hintergrund

Menthol wird vorwiegend aus Pflanzen (z.B. Minze) extrahiert und findet breite Anwendung in der Kosmetik und Genussmittelindustrie. Menthol wird seit Jahrhunderten in der europäischen wie auch in der traditionell chinesischen Medizin aufgrund der mutmaßlich kühlenden Eigenschaften zur Analgesie angewendet. Kurz nach der Jahrtausendwende wurde die selektive Wirkung von Menthol dosisabhängig auf den TRPM8 Rezeptor beschrieben. TRPM8 (Transient receptor potential cation channel subfamily M member 8) führt nach Aktivierung mittels Menthol oder milder Kühlung zu einer Analgesie. Dabei wird der gefühlte kühlende Effekt von Menthol über den TRPM8 Rezeptor erzeugt, ohne dass es zu einer Temperaturabnahme der Haut kommt. (Proufoot 2006) Topisch verabreichtes Menthol wurde bei verschiedenen Schmerzen unter anderem zur Prophylaxe und Therapie der schmerzhaften Chemotherapie induzierten peripheren Neuropathie untersucht. Menthol kann einfach bezogen werden. Eine Menthol-haltige Creme sollte allerdings durch einen Apotheker in der entsprechenden Konzentration hergestellt werden. Die Therapiekosten sind gering.

Wirksamkeit

Zum Einsatz in der onkologischen Supportivtherapie gibt es Ergebnisse aus Interventionsstudien zu folgenden Indikationen:

  • Prophylaxe der Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie (CIPN): Es gibt einen Anhaltspunkt für einen klinischen Stellenwert Menthol-haltiger Creme in der Prophylaxe der Oxaliplatin induzierten Neuropathie, wenn auch diese Daten durch robuste Studien repliziert werden müssen. Zu beachten ist, dass es bei wenigen Patienten zu einer Zunahme der Schmerzen gekommen war; hierzu wurden folgende Studien ausgwertet:

    • In der Studie von Nakamura (2015) wurde die prophylaktische Wirkung von Menthol bei Patienten mit einem kolorektalen Karzinom, die eine Oxaliplatin haltige Chemotherapie erhielten, untersucht. Zweimal tägliche wurde mit 1%igem Menthol eine Einreibung von Händen und Füssen durchgeführt. Die Rate an Grad ≥2 Neuropathien lag nach dem Erreichen einer kumulativen Oxaliplatin Dosis von ≥500mg/m2 bei 12,5% und damit unter dem von den Autoren der Studie erwarteten Wert von 25%.
      Aus dieser Studie gibt es einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit von topisch verabreichtem Menthol zur Prophylaxe der Oxaliplatin induzierten Neuropathie.

  • Therapie der Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie (CIPN): Es besteht ein Anhaltspunkt für einen klinischen Stellenwert Menthol-haltiger Creme in der Analgesie der schmerzhaften Chemotherapie induzierten Neuropathie, wenn auch die Ergebnisse in robusten Studien repliziert werden müssen. Zu beachten ist, dass bei wenigen Patienten auch eine Zunahme der Schmerzen festgestellt wurde; hierzu wurden folgende Studien ausgewertet

    • In der prospektiven, interventionellen, nicht kontrollierten Phase I Studie von Storey (2010) erhielten Patienten mit chronischer CIPN, verursacht durch unterschiedliche Chemotherapien, eine sechs wöchige topische Anwendung mit Menthol (1%ig). Die Autoren berichten von einer Minderung der Schmerzen (gemessen mittels BPI-SF) und einer Verbesserung der Funktionalität gegenüber dem Ausgangswert.

    • In der interventionellen, nicht kontrollierten Machbarkeitsstudie von Fallon et al. (2015) erhielten Patienten mit chronischer CIPN bedingt durch verschiedene Chemotherapien aber auch Patienten mit anderen chronischen neuropathischen Schmerzen, topisch verabreichtes Menthol (1%ig). In dieser Studie konnte gegenüber dem Ausgangswerten eine signifikante Verbesserung der Schmerzen festgestellt werden.

Aussagen in Leitlinien

Topisches Menthol wird in der aktuellen S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen (2024) sowie in der S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen (2025) nicht erwähnt.

Sicherheit

Eine fachliche Betreuung ist sinnvoll, um auf richtige Applikation und entsprechende Dosierung zu achten. Eine mögliche Rezeptur wird in der S3-Leitlinie der AWMF (2017) angegeben. Die topische Anwendung von Menthol ist sicher, was durch den sehr breiten Einsatz von Menthol in Kosmetika (unter anderem Zahncreme) unterstrichen wird. Geachtet werden muss allerdings auf die Konzentration der Creme, da bei hoher Menthol Konzentration die selektive Aktivierung von TRPM8 nicht erfolgt und weitere nozizeptive Rezeptoren (z.B. TRPA1) aktiviert werden können, was zu einer Zunahme der Schmerzen bzw. Hyperalgesie führen kann.

Literatur


Proudfoot CJ, Garry EM, Cottrell DF, Rosie R, Anderson H, Robertson DC, et al. Analgesia mediated by the TRPM8 cold receptor in chronic neuropathic pain. Curr Biol. 2006 Aug 22;16(16):1591-605.

Nakamura K, Nakamura M, Onikubo T, Uchibori K, Tauchi K. Phase II study of preventive effect of topical menthol for chemotherapy-induced peripheral neurotoxicity. Journal of Clinical Oncology 2015; 33 Suppl 15: 9610-9610.

Fallon MT, Storey DJ, Krishan A, Weir CJ, Mitchell R, Fleetwood-Walker SM, et al. Cancer treatment-related neuropathic pain: proof of concept study with menthol--a TRPM8 agonist. Support Care Cancer. 2015 Sep;23(9):2769-77.

Hershman DL, Lacchetti C, Dworkin RH, Lavoie Smith EM, Bleeker J, Cavaletti G et al. Prevention and management of chemotherapy-induced peripheral neuropathy in survivors of adult cancers: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol. 2014 Jun 20;32(18):1941-67.

Storey DJ, Colvin LA, Scott AC, Boyle D, Green L, Jones AP, et al. Treatment of chemotherapy-induced peripheral neuropathy (CIPN) with topical menthol: A phase I study. Journal of Clinical Oncology 2010; 28 Suppl 15: 9129-9129.