Hintergrund
Baldrian wächst auf der gesamten Nordhalbkugel in gemäßigten Klimazonen. Die gesamte Gattung der Baldriangewächse umfasst ca. 250 Arten – allerdings wurde nahezu ausschließlich der „echte" bzw. „große" Baldrian (Valeriana officinalis) seit ca. 2000 Jahren in der traditionellen Medizin zu Behandlung von Unruhezuständen, Kopfschmerzen, gastrointestinalen Beschwerden u.a. verwendet.
Wirksame Inhaltsstoffe in V. officinalis sind Alkaloide, Sesquiterpenoide und ätherische Öl, die als wässrige und/oder alkoholische Extraktion der Wurzel entnommen werden. In Abhängigkeit der Standortbedingungen variiert der Gehalt an Inhaltsstoffen. Einer der Hauptinhaltsstoffe ist die Valerensäure, deren Gehalt auch zur Standardisierung von pharmazeutischen Präparaten dient.
Der genaue Wirkmechanismus des Baldrians ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass die beruhigende Wirkung durch das gesamte Stoffgemisch verursacht wird. Für einzelne Inhaltsstoffe wie die Valerensäure wird eine Wirkung am GABA-Rezeptor vermutet.
Trotz der festen Verankerung im volkstümlichen Wissen über die potentielle Wirksamkeit und dem daraus häufigen Gebrauch von Baldrian, konnte in Studien und den daraus entstandenen Metaanalysen, ein schlaffördernder Effekt bisher nicht sicher nachgewiesen werden.
Wirksamkeit
Zum Einsatz in der onkologischen Supportivtherapie gibt es Ergebnisse aus Interventionsstudien zu folgenden Indikationen:
Schlafstörungen und Fatigue: Es gibt einen Anhaltspunkt, dass Baldrian zur Verbesserung von Fatigue-Symptomen bei Krebspatienten beitragen kann und einen Hinweis dafür, dass Baldrian keine Wirksamkeit auf Schlafstörungen hat. In einer doppelt verblindeten, randomisierten Studie erhielten Patienten (n=119) mit unterschiedlichen Tumorerkrankungen und die unter Schlafstörungen litten, entweder ein Baldrian-Präparat (450mg Baldrian mit definiertem Valerensäure Gehalt) täglich abends für 8 Wochen oder ein Placebo. Zu Studieneintritt, nach vier und nach acht Wochen wurden Patienten berichtete Ergebnisse erhoben. Primärer Zielparameter der Studie war die Schlafqualität (gemessen mittels Pittsburgh Sleep Quality Index). Weiterhin wurden der Einfluss auf Stimmung, Fatigue und Schlaf (mittels Profile of Moods States, Functional Outcomes of Sleep Questionnaire, Brief Fatigue Inventory 45) untersucht. Die auf Schlaf bezogenen Ergebnisse unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht. Allerdings waren bei den Teilnehmenden, die das Baldrain-Präparat erhalten hatten die Fatigue-Symptome zu beiden Zeitpunkten (Woche 4 und 8) signifikant geringer.
Aussagen in Leitlinien
Die S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin (2021) hielt die Studiendaten nicht für ausreichend, um eine Empfehlung zum Einsatz von Baldrian zu geben.
Sicherheit
Da für Baldrian kaum unerwünschte Wirkungen bekannt sind und zudem das pharmakologische Interaktionspotential als sehr gering eingeschätzt wird, könnte Baldrian einen Stellenwert bei der Behandlung von Fatigue-Symptomen haben.
Literatur
Barton DL, Atherton PJ, Bauer BA, Moore DF Jr, Mattar BI, Lavasseur BI, et al. The use of Valeriana officinalis (Valerian) in improving sleep in patients who are undergoing treatment for cancer: a phase III randomized, placebo-controlled, double-blind study (NCCTG Trial, N01C5). J Support Oncol. 2011 Jan-Feb;9(1):24-31.
Hamaidia M, Barez PY, Carpentier A, Lebecque S, Miazek K, Paul A, Frederich M. From Valeriana officinalis to cancer therapy: The success of a bio-sourced compound. BASE (2016).
Kelber O, Nieber K, Kraft K. Valerian: no evidence for clinically relevant interactions. Evid Based Complement Alternat Med. 2014;2014:879396.
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