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Amygdalin - Laetrile (z.B. Aprikosenkerne)

Hintergrund

Amygdalin ist eine natürlich vorkommende, pflanzliche Verbindung. Sie gehört zu den cyanogenen Glykosiden, da bei ihrer enzymatischen Spaltung Cyanid entsteht. Amygdalin kommt hauptsächlich in Aprikosen- und Pfirsichkernen sowie Bittermandeln vor und ist auch in Pflanzen wie Limabohnen, Klee und Hirse enthalten. Laetrile (auch Laetril oder Lätril) ist ein Akronym (aus engl. „LAEvorotatory“ und „mandeloniTRILE“) und bezeichnet eine gereinigte semisynthetische Form des Amygdalins.

Es wird behauptet, mit amygdalinhaltigen Produkten Krebs therapieren und heilen zu können. Cyanid wird dabei als aktive Substanz mit antitumoraler Wirksamkeit gesehen.

Wirksamkeit

Zum Einsatz in der onkologischen Supportivtherapie wurden keine Interventionsstudien gefunden.

Zum Einsatz in der Tumortherapie gibt es folgende Daten:

  • es gibt zusammenfassend einen Hinweis für fehlende antineoplastische Wirksamkeit. Hierzu wurden zwei nicht-randomisierte, unkontrollierte klinische Studien der Phase I und II mit Laetrile durchgeführt.

    • In der ersten Studie (Phase I, n = 6) (Moertel et al. 1981) wurde Laetrile für 21 Tage intravenös in einer Dosierung von 4,5g/qm KOF verabreicht, gefolgt von der oralen Einnahme von 0,5g dreimal täglich. Parallel wurde eine Kombination aus mehreren Vitaminen und Enzymen verabreicht und eine Diät befolgt. Bei zwei der sechs Tumorpatienten kam es während der Behandlung zu Symptomen einer Cyanidintoxikation. Anhaltspunkte für eine klinische Wirksamkeit fanden sich nicht.

    • In der zweiten klinischen Studie (Phase II, n = 175) (Moertel et al. 1982) wurde Laetrile nach dem bereits beschriebenen Schema mit einer höheren Dosierung (7g/qm KOF i.v. 21 Tage, gefolgt von 0,5 g 4 x täglich) verglichen. Die Begleittherapie aus Vitaminen, Ernährungsvorschriften und Enzymen unterschied sich ebenfalls in der Dosierung zwischen den Gruppen. Die Autoren kamen zu folgendem Schluss: «No substantive benefit was observed in terms of cure, improvement or stabilization of cancer, improvement of symptoms related to cancer, or extension of life span. The hazards of amygdalin therapy were evidenced in several patients by symptoms of cyanide toxicity or by blood cyanide levels approaching the lethal range»

  • Die Autoren eines Cochrane-Reviews (Milazzo et al. 2015) fanden keine randomisierten, kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit von Amygdalin bzw. Laetrile untersuchten und kamen zu dem Schluss, dass es keine Anhaltspunkte für die Wirksamkeit dieser Substanzen in der Tumortherapie gibt.

Die Informationen sind der entsprechenden Monographie des Leitlinienportals Onkopedia (2021) entnommen. Eine genaue Darstellung und Bewertung ist dort verfügbar.

Aussagen in Leitlinien:

Die AWMF Leitlinie zur Komplementärmedizin bei onkologischen Patient*innen (2021) spricht sich gegen den Einsatz von Laetrile aus, die Leitlinie zur Supportivtherapie bei onkologischen Patient*innen (2020) erwähnt Laetrile nicht.

Sicherheit

Laetrile war in den 1970er und 1980er Jahren in den USA besonders populär und wurde später von der FDA als bedenklich eingestuft, nachdem 1982 eine kontrollierte Phase-II-Studie sowohl Anhaltspunkte für die fehlende Wirksamkeit von Laetrile fand, als auch erhebliche Risiken aufzeigte.

Eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus dem Jahr 2014 betrachtet Amygdalin bzw. Laetrile als unwirksam und sieht ein erhebliches Risiko für toxische Wirkungen durch das freigesetzte Cyanid.

Literatur

Die Literatur ist, wenn nicht hier aufgeführt, der entsprechenden Monographie des Leitlinienportals Onkopedia (2021) entnommen. Eine genaue Darstellung und Bewertung ist dort verfügbar.

Moertel CG, Ames MM, Kovach JS, et al.: A pharmacologic and toxicological study of amygdalin. JAMA 245:591-594, 1981. PMID:7005480

Moertel, CG, Fleming, TR, Rubin, J, et al.: A clinical trial of amygdalin (Laetrile) in the treatment of human cancer. N Engl J Med 306: 201-206, 1982. PMID:7033083

Milazzo S and Horneber M: Laetrile treatment for cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Apr 28;4:CD005476. DOI:10.1002/14651858.CD005476.pub4