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Kühlung von Händen und Füßen (Kryotherapie der Extremitäten)

Hintergrund

Bei der Extremitäten Hypothermie werden durch unterschiedliche, nicht-invasive Verfahren Arme und/oder Beine gekühlt. Die Rationale der Extremitäten Hypothermie ist die verminderte Durchblutung bedingt durch die thermische Vasokonstriktion mit daher geringerer Konzentration der Chemotherapeutika im Bereich der distalen Nerven. Zur Anwendung kommen verschiedene Verfahren wie Eishandschuhe/-socken oder auch Kühlung mit Luft.
Obwohl es eine wissenschaftlich nachvollziehbare Rationale für die Hypothermie gibt, ist dieses Verfahren schlecht definiert und schwierig in der praktischen Anwendung (ungeklärte Fragen sind z.B.: Muss die gesamten Extremitäten gekühlt werden oder nur die Akren? Welche Temperatur muss gewählt werden um eine Balance zwischen Verträglichkeit und ausreichender Vasokonstriktion zu erreichen? Verursacht die Rebound Hyperämie nach Beendigung der Hypothermie eine verstärkte Chemotherapie Disposition?).
Es existieren verschiedene Verfahren von einfachen Eishandschuhen bzw. -socken bis hin zu komplexen sensorgesteuerten, gekammerten Luftkühlungssystemen.

Wirksamkeit

Zum Einsatz in der onkologischen Supportivtherapie gibt es Ergebnisse aus Interventionsstudien zu folgenden Indikationen:

  • Prophylaxe der Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie (CIPN) Es gibt einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit der Extremitäten-Hypothermie zur Prophylaxe der CIPN. Hierzu wurden folgende Studien ausgewertet:

    • In der prospektiven, selbst-kontrollierten Pilot-Studie von Sundar (2017) erhielten Patientinnen mit einem Mammakarzinom eine adjuvante Therapie mit Paclitaxel. An der dominanten Körperseite (Rechtshänder rechte Seite) wurde mittels einer speziellen Apparatur Arm und Bein auf eine Oberflächentemperatur von 22°C konstant und kontinuierlich vor, während und nach Verabreichung der Chemotherapie gekühlt. Die Gegenseite war nicht gekühlt und stellte die Vergleichsgruppe dar. Die Nervenleitgeschwindigkeit der motorischen Fasern unterschied sich signifikant zu Gunsten der gekühlten Extremitäten. Die Nervenleitgeschwindigkeit und die Amplitude der sensorischen Nerven waren nicht signifikant unterschiedlich. Daten zu subjektiv empfundenen neuropathischen Beschwerden wurden in der Studie erhoben aber nicht dargestellt.

    • In der interventionellen, Fall-Kontroll-Studie von Sato (2016) erhielten Patientinnen mit einem Mammakarzinom eine Chemotherapie mit Docetaxel, Docetaxel-Carboplatin oder Docetaxel-Cisplatin teilweise kombiniert mit Bevacizumab, Epirubicin oder Cyclophosphamid. Die Patientinnen erhielten an beiden Händen und Füssen gekühlte Handschuhe bzw. Strümpfe ohne Messung der Oberflächentemperatur. Als Vergleichsgruppe wurden retrospektive Neuropathie-Daten von Patientinnen mit derselben Chemotherapie und aus demselben Institut herangezogen. Eine signifikant geringere Neuropathie-Inzidenz konnte in der Gruppe der Patientinnen mit der Extremitäten Hypothermie gegenüber den historischen Vergleichsdaten gesehen werden.

    • In der selbst-kontrollierten Studie von Hanai (2016) erhielten Patientinnen mit einem Mammakarzinom eine Chemotherapie mit Paclitaxel. An der dominanten Körperseite (Rechtshänder rechte Seite) wurden nicht weiter beschriebene „gefrorene Handschuhe und Socken" angelegt. Die Gegenseite stellte die Vergleichsgruppe dar. Es konnte eine signifikant geringere Inzidenz und Schwere der Neuropathie an den gekühlten Extremitäten festgestellt werden.
      Es gibt einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit der Extremitäten Hypothermie zur Prophylaxe der Taxan und Kombination aus Platinderivaten und Taxanen induzierten Neuropathie

Aussagen in Leitlinien

Die Leitlinie der AWMF zur Komplementärmedizin (2024) erwähnt das Verfahren nicht. Die Leitlinie zur Supportivtherapie bei onkologischen Patient*innen (2025) schreibt hierzu: "Zur Reduktion der Inzidenz und/oder des Schweregrades einer Taxan-induzierten Polyneuropathie können Patient*innen, prophylaktisch mit einer Kryotherapie oder Kompressionstherapie behandelt werden."

Sicherheit

Extremitätenhypothermie gilt als sicher, wenn sie fachgerecht angewendet wird. Nebenwirkungen sind selten und umfassen leichte Hautreizungen, Kälteunverträglichkeit oder vorübergehendes Unwohlsein. Es gibt keine Berichte über schwerwiegende unerwünschte Wirkungen in den ausgewerteten Studien. Vorsicht ist bei Patient*innen mit Durchblutungsstörungen oder Kälteüberempfindlichkeit geboten. Offene Fragen, wie die optimale Kühltemperatur oder potenzielle Rebound-Hyperämie nach Kühlungsende, erfordern weitere Untersuchungen, um Langzeitrisiken auszuschließen.

Literatur

Hanai A, Ishiguro H, Sozu T, Tsuda M, Nakagawa T, Imai S et al. The effects of frozen gloves and socks on paclitaxel-induced peripheral neuropathy among patients with breast cancer: A self-controlled clinical trial. Ascopubs 2016; Abstract: 10022

Hershman DL, Lacchetti C, Dworkin RH, Lavoie Smith EM, Bleeker J, Cavaletti G, et al. Prevention and management of chemotherapy-induced peripheral neuropathy in survivors of adult cancers: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol. 2014 Jun 20;32(18):1941-67.

Sato J, Mori M, Nihei S, Kumagai M, Takeuchi S, Kashiwaba M, et al. The effectiveness of regional cooling for paclitaxel-induced peripheral neuropathy. J Pharm Health Care Sci. 2016 Nov 15;2:33.

Sundar R, Bandla A, Tan SS, Liao LD, Kumarakulasinghe NB, Jeyasekharan AD, et al. Limb Hypo-thermia for Preventing Paclitaxel-Induced Peripheral Neuropathy in Breast Cancer Patients: A Pilot Study. Front Oncol. 2017 Jan 10;6:274.