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Druckhandschuhe

Hintergrund

Bei diesem Verfahren Druckhandschuhe werden dem Patienten zu kleine chirurgische Handschuhe angezogen. Der Druck wird nicht kontrolliert oder durch ein anderes Prinzip als die Retraktionskraft des Polymers verursacht. Zudem erfolgt keine thermische Beeinflussung.

Durch das Anlegen zu kleiner chirurgischer Handschuhe kann die Gewebedurchblutung reduziert werden, was einen Einfluss auf die Gewebespiegel der Chemotherapie haben kann. Bei den Taxanen ist bekannt, dass die Nervenschädigung distal beginnt und sich zentripetal ausbreitet, weswegen ein Schutz der distalen Nervenenden theoretisch möglich ist.

Das Verfahren Durckhandschuhe wurde zur Prophylaxe der Taxan induzierten peripheren Neuropathie untersucht.

Der finanzielle Aufwand ist gering. In der Studie, die chirurgischen Handschuhe zur Prophylaxe der Chemotherapie induzierten peripheren Neuropathie untersuchte, wurden diese 30 Minuten vor Beginn bis 30 Minuten nach Beendigung der Chemotherapie, getragen.

Wirksamkeit

Zum Einsatz in der onkologischen Supportivtherapie gibt es Ergebnisse aus Interventionsstudien zu folgenden Indikationen:

  • Prophylaxe der CIPN: Vier interventionsstudien geben zusammen einen Anhaltspunkt, dass Druckhandschuhe das Auftreten einer CIPN reduzieren können.

    Ausgewertete Studien:

  • In der Studie von Tsuyuki et al. (2016) wurde Frauen mit Mammakarzinom an der dominanten Hand (bei Rechtshändern rechte Hand) ein zu kleiner chirurgischer Handschuh während der Chemotherapie mit nab-Paclitaxel angezogen ohne dass eine zusätzliche Kälteeinwirkung stattfand. Die nicht dominante Hand wurde ohne Handschuh belassen und stellte die Vergleichsgruppe dar. In dieser Studie konnte an der dominanten Hand eine signifikant geringere Rate und Schwere einer motorischen und sensiblen Neuropathie, gemessen mittels Arzt erhobener (CTCAE 4.0, primärer Endpunkt) und Patienten berichteter (PNQ, sekundärer Endpunkt) Ergebnisse, gegenüber der nicht behandschuhten Hand, festgestellt werden.

  • In der einarmigen, multizentrischen Folgestudie schloss die gleiche Arbeitsgruppe (Shigeru et al. 2019)  58 Patienten ein, die eine Chemotherapie mit 260mg nab-Paclitaxel erhielten. Zusätzlich wurden während für 90Minuten um die Chemotherapie Gabe herum zu kleine chirurgische Handschuhe (1 Größe kleiner) appliziert. Die Neuropathie wurde vor jedem Zyklus mittels der ärztlich eingeschätzten Terminologie für unerwünschten Wirkungen (CTCAE 4.0, primärer Endpunkt) dokumentiert. Die Kompression erreichte eine Senkung der Temperatur an den Fingerspitzen von 1,3-2,3°C. Die Rate an von unerwünschten Wirkungen bezüglich der Neuropathie (CTCAE ≥2) war mit 13,8% lt. der Autoren geringer als die erwartete Rate.  Die Rate an Grad 4 Neuropathien wurden über einen Patientenfragebogen (PNQ) evaluiert und ergaben 10,3%.

  • In der einarmigen, prospektiven Studie schlossen Yuko et al. (2020) 43 Patienten ein, die eine Chemotherapie mit 260mg nab-Paclitaxel erhielten. Zusätzlich wurden als vergleichende Interventionen während der Chemotherapie in einer Hand eine Kryotherapie (Kältehandschuhe) für 60min, in der anderen Hand 90Minuten  zwei um zu kleine chirurgische Handschuhe  übereinander (1 Größe kleiner) appliziert. Die Neuropathie wurde vor jedem Zyklus mittels der ärztlich eingeschätzten Terminologie für unerwünschten Wirkungen (CTCAE 4.0) dokumentiert. Die Rate an von unerwünschten Wirkungen bezüglich der Neuropathie (CTCAE ≥2) war zwischen der Therapien nicht unterschiedlich (CTAE und Patientenfragebogen PNQ) Die Temperatursenkung an den Fingerspitzen durch die Kühlhandschuhe war eindeutig niedriger.

  • In einer prospektiven Studie untersuchten Kotani et al. (2021) bei Patientinnen mit frühem Rezidiv eines Mamma-Karzinoms, die eine Chemotherapie mit nab 80mg/m2 nab-Paclitaxel erhielten. Die Patienten erhielten als Intervention 90 Minuten um während der Chemotherapie für eine Hand 2 zu kleine chirurgische Handschuhe (1 Größe kleiner) übereinander, für die andere 2 Handschuhe der normalen Größe übereinander. Ausschlusskriterien waren unter anderem eine vorbestehende Polyneuropathie Grad ≥ 1. Die Neuropathie Grad ≥ 2 (Primärer Endpunkt) wurde mittels ärztlich eingeschätzter Terminologie für unerwünschte Wirkungen (CTCAE 4.0) erhoben. Der gemessene Temperaturunterschied zwischen Druckhandschuhen und Handschuhen war -mit 1,1-2,7°C vs. -0.23-0.99 signifikant. Es gab einen Trend zur Reduktion der sensiblen Neuropathien Grad ≥ 2 in der Druckhandschuh-Gruppe (36,7% vs 30,6%, P=0,25). Die motorische Neuropathie-Rate betrug 6,1% vs 4,1% (P=1,0)

  • Eine weitere Studie (Young et al. 2023) wird 2023 aktuell durchgeführt


Aussagen in Leitlinien

S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin (2021) und die S3 Leitlinie Supportive Therapie (2020) erwähnen dieses Verfahren nicht.

Sicherheit

Bei der Anwendung von chirurgischen Handschuhen sind medizinisch relevante unerwünschte Wirkungen in den Studien nicht aufgetreten und unwahrscheinlich.

Literatur


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